Bis zum Jahr 2030 will die Bundesregierung 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt und 215 GW Photovoltaikleistung installiert sehen. Industrie, Forschung und Bürger sind aufgefordert, die Energiewende anzutreiben und mitzutragen. Jedoch stand jüngst erstmal die Politik in der Bringschuld und hat mit der neuesten Überarbeitung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) den längst überfälligen Schritt vollzogen, die ambitionierten Ausbauziele gesetzlich ermöglichen.
Das EEG 2023, das am 30. Juli 2022 in Kraft getreten ist, bestimmt von nun an über maßgebliche Themen rund um die Photovoltaik in Deutschland wie Vergütungssätze, Ausschreibungsmengen, Umlagen und förderfähige Solarpark-Standorte. Auch die Finanzierung der EEG-Kosten wurde zuvor bereits neu geregelt und erfolgt nun über den Bundeshaushalt. Damit werden Stromverbraucher künftig entlastet, da die EEG-Umlage mit dem sogenannten Osterpaket, wie der Gesetzesentwurf tituliert wurde, nun vollständig abgeschafft werden wird.
Um die Solarwirtschaft sehr konkret und umfassend über die Änderungen des jüngsten Gesetzespaketes zu informieren, hielt Intersolar Europe zusammen mit dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) jüngst ein Webinar ab, das mit über 1.000 Anmeldungen auf herausragende Resonanz in der Branche gestoßen ist.
Steigerung der Vergütungssätze für Dach- und Freiflächenanlagen
Größere Ausschreibungsmengen, höhere Vergütungssätze: Sowohl für PV-Dach- als auch für Freiflächenanlagen soll der Weg für einen weitreichenden Ausbau bereitet werden. Die Relation der beiden PV-Anlagenarten im Ausbauportfolio soll künftig in etwa 50:50 betragen. Die Ausschreibungsmengen für Freiflächenanlagen werden bis zum Jahr 2025 schrittweise auf bis zu 9.900 MW/Jahr erhöht, berichtete BSW-Referent Christian Menke. Anlagen bis 1 MW müssen ab 2023 nicht mehr an Ausschreibungen teilnehmen, um für 20 Jahre eine Vergütung für jede eingespeiste Kilowattstunde zu erhalten. Neu hinzugekommen ist auch ein Bonus für die Volleinspeisung, um diese wieder attraktiver zu machen. Die gestiegenen Vergütungssätze unterliegen jedoch noch der Zustimmung der EU-Kommission im Rahmen der Beihilfegenehmigung. Vereinfachungen für eine dezentrale Energieversorgung und deren Rentabilität soll die mögliche Kombination von Überschuss- und Volleinspeiseanlagen auf ein- und demselben Gebäude bringen. Ebenso wird der Prozess für den Netzanschluss von Anlagen bis 30 kW weiter vereinfacht: Diese dürfen künftig innerhalb eines Monats nach Meldung ohne Anwesenheit des Netzbetreibers ans Netz gehen.
Zubauförderung: Öffnung der Flächenkulisse und Schaffung von Anreizen
Die Öffnung der Flächenkulisse stellt ein wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der aufgestockten Auktionsvolumen dar. Mit der beschlossenen Erweiterung der Verkehrsrandstreifen von 200 Meter auf 500 Meter wurde ein Schritt in die richtige Richtung gegangen. Erfreulich für den Anlagenbau ist die Streichung des Eigenverbrauchsverbots: Nun dürfen auch Projekte an Ausschreibungen teilnehmen, die anteilig zur Eigenversorgung genutzt werden.
Besondere Solaranlagen im Fokus
Das überarbeitete EEG 2022 sieht eine gezielte Förderung der besonderen Solaranlagen Floating PV, Agri-PV und Parkplatz-PV vor. Agri-PV fällt von nun an in das erste Ausschreibungssegment (Freiflächen) und gehört nicht mehr zu den sogenannten Innovationsausschreibungen – damit soll die Flächenkulisse für diese Anwendung weitreichend geöffnet werden. Der Bonus für Agri-PV-Anlagen, der sich von 1,2 ct/kWh für Zuschläge in 2023 bis 0,5 ct/kWh für Zuschläge in 2026–2028 erstreckt, wird vom BSW allerdings als unzureichend befunden. Auch eine weitreichende Ausschöpfung des Floating-PV-Potenzials sieht sich dem Hindernis entgegen, das nach der EEG-Novelle die schwimmenden Anlagen in mindestens 40 Metern Abstand zum Ufer installiert werden müssen und insgesamt nicht mehr als 15 Prozent der Wasserfläche einnehmen dürfen. Ebenso hat die Förderung für Parkplatz-PV im neuen Rechtsrahmen Einzug gefunden, genau wie für Moor-PV, PV-Anlagen auf wiedervernässten Moorböden. Diese Anwendung ist jedoch noch wenig erforscht.
Speicher gewinnen an Bedeutung
Einen bedeutenden Fortschritt im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) stellt die vollständige Neufassung der Speicherdefinition dar: Der Speicher zählt nun nicht mehr als „Verbraucher“, sondern verschiebt lediglich die Nutzung der elektrischen Energie auf später. Dies ist vor allem von Bedeutung bei den Netzentgelten, die nun nicht wie bisher für „zweimaligen Verbrauch“ doppelt berechnet werden und wirkt sich auch auf die Rückeinspeisung über Ladepunkte aus. Die Kombination von PV mit Wind und Speichern wird weiterhin im Rahmen der Innovationsausschreibungen gefördert.
Defizite durch Marktlage
Regulatorischen Nachbesserungsbedarf sieht BSW-Referent Thomas Seltmann unter anderem bei der festen Degression von halbjährlich einem Prozent, die ab 2024 angewendet wird und die sich somit nicht mehr an der Marktentwicklung orientiert. Hier fehle es an Möglichkeiten, ohne langwierige beihilferechtliche Genehmigungsprozesse schnelle Anpassungen vorzunehmen, so die Marktentwicklung dies erfordere. Nicht ausreichend berücksichtigt ist im EEG 2022 auch eine standardisierte Handhabe möglicher unverschuldeter Verzögerungen bei der Inbetriebnahme von Anlagen aufgrund von Lieferschwierigkeiten einzelner Komponenten, die derzeit auf dem Markt vorherrschen.
Dezentrale PV-Lösungen erwünscht
Bürgerenergiegenossenschaften dürfen künftig Anlagen bis 6 MW ohne eine Teilnahme an Ausschreibungen realisieren; im Bereich der geförderten Mieterstromanlagen wurde die Begrenzung der Anlagengröße auf 100 kW abgeschafft.
Das Osterpaket bildet einen wichtigen Grundstein und ehrgeizige Ziele für eine Kurskorrektur der politischen Versäumnisse, wegen derer die Energiewende in Deutschland in den letzten Jahren ausgebremst wurde. Es sollte bald durch weitere politische Maßnahmen zum schnelleren Ausbau von Wind- und Solarenergie, Klimaschutz sowie zu den Themen Infrastruktur und Speichern ergänzt werden. Die erste dieser Maßnahmen zum Solarausbau wurde derzeit zur Ressortabstimmung eingeleitet und sieht eine Steuerbefreiung für Einnahmen aus Solaranlagen, den Wegfall von Steuererklärungspflichten sowie einen niedrigeren Umsatzsteuersatz für PV-Komponenten vor.
Weitaus präzisere Infos zu den jüngsten Gesetzesänderungen bietet der Webinar-Mitschnitt .