Batteriespeicher sind Schlüsselelemente der Energiewende. Als Großspeicher auf Netzebene können sie unter anderem Netzengpässe reduzieren, die Frequenz stabilisieren, nach einem Netzausfall hilfreich sein – oder schlicht der Ertragsoptimierung von Solarparks dienen. Speicherexperten geben einen Überblick zu aktuellen Entwicklungen.
Der Ausbau der fluktuierenden erneuerbaren Energien erfordert parallel den Aufbau von Speicherkapazitäten – und zwar aus mehreren Gründen. In der öffentlichen Debatte steht der Einsatz von Speichern zur Überbrückung der Dunkelflaute im Vordergrund, doch mindestens ebenso wichtig sind Großspeicher im Netz, die Systemdienstleistungen erbringen können.
Als einen wichtigen Aspekt nennt Sankara Subramanian von der Firma Saft Batteries, ein international führender Netzexperte, die physische Trägheit, die das Netz braucht, um Frequenzschwankungen bei schnellen Laständerungen abzupuffern. In der bisherigen Stromwirtschaft wurde diese durch rotierende Massen geschaffen, durch die tonnenschweren Turbinen und Schwungräder fossiler Kraftwerke. Die Photovoltaik bietet diese Trägheit nicht.
„Werden die herkömmlichen Kraftwerke abgeschaltet, brauchen wir synthetische Trägheit“, erklärt Subramanian. Diese, mitunter auch „virtuelle Trägheit“ genannt, können intelligente Batterien aufgrund ihrer kurzen Reaktionszeit liefern. Denn rein physikalisch muss beim Zuschalten eines Verbrauchers im Netz unmittelbar die betreffende Leistung zusätzlich bereitgestellt werden. Geschieht das nicht, sinkt die Netzfrequenz.
Leistungsänderungen der Kraftwerke oder die Zuschaltung von Pumpspeicherkraftwerken sind zu langsam, um das aufzufangen. Die Frequenzhaltung bei exakt 50 Hertz – kurzfristige Abweichungen bis 49,8 oder 50,2 Hertz gelten als maximal tolerierbar – ist damit eine wichtige Aufgabe von Batterien im Netz. Ein Beispiel dafür ist der im Bau befindliche „Netzbooster“ des Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW im württembergischen Kupferzell. Der Batteriespeicher wird ausschließlich Systemdienstleistungen erbringen, also vor allem die Netzfrequenz und -spannung stabilisieren und bei Störungen im Netz aushelfen.
Speicher als „virtuelle Übertragungsleitung“
Eine andere Rolle von Speichern ist ihr Einsatz als „virtuelle Übertragungsleitung“, wie Subramanian weiter erläutert. Gemeint ist damit der Einsatz von zwei Speichern an unterschiedlichen Orten im Netz, der im Zuge des Redispatch einen Engpass beheben kann. Wenn an Punkt A ein Überschuss an Leistung vorhanden ist und an Punkt B die Leistung fehlt, Leitungen aber zum Transport von A nach B nicht ausreichend existieren, kann eine Großbatterie an Punkt A Strom einspeichern, während eine weitere Großbatterie zugleich an Punkt B ausspeichert – womit der Effekt für das Netz der gleiche ist, als gäbe es zwischen A und B eine ausreichende Übertragungsleitung.
Die Positionierung der Speicher im Netz ist bei solchen Konzepten ein entscheidender Punkt. Deswegen hat Litauen eines der größten Batteriespeicherprojekte Europas realisiert. „Es ist ein Projekt im Zuge der Synchronisierung des baltischen Netzes mit dem kontinentaleuropäischen Netz, die 2025 erfolgen soll“, berichtet Vitalijus Baranskas, Chief Technical Officer der Firma Energy Cells in Vilnius. Dabei handelt es sich um vier Batteriespeicher in vier litauischen Städten (Alytus, Vilnius, Šiauliai and Utena) mit einer Leistung von jeweils 50 MW und einer Kapazität von 50 MWh. „Für den Ausgleich im Netz haben wir Wasserkraftanlagen, aber die sind für die Systemstabilisierung zu langsam“, erklärt Baranskas. Die Batterien könnten die volle Leistung innerhalb einer Sekunde bereitstellen, sie reagierten sofort auf Frequenzabweichungen.
Aber Großbatterien haben noch weitere Einsatzbereiche. Sie könnten bei einem Blackout helfen, das Netz wieder hochzufahren und grundsätzlich könnten sie auch an den unterschiedlichen Regelenergiemärkten agieren, etwa der Sekundärreserve, die in der Organisation des Strommarktes binnen fünf Minuten zur Verfügung stehen muss.
Auch bei der Betriebsweise der Speicher gibt es verschiedene Optionen, darauf weist Marcel Schepers hin, Produktmanager für Flexibilitätsvermarktung bei der Energie Baden-Württemberg (EnBW). Während die anderen vorgestellten Einsatzzwecke primär der Systemstabilisierung dienen und damit auch zumeist im regulierten Netzbereich stattfinden und folglich über die Netzentgelte bezahlt werden, beschreibt Schepers einen marktgetriebenen Betriebsmodus von Batteriespeichern.
Dabei geht es zum einen darum, mit Speichern an den diversen Spotmärkten – day ahead, intraday – Arbitragegeschäfte zu tätigen. Und es geht außerdem darum, in Kombination mit eigenen Solarparks, deren Erträge zu optimieren.
Betreibt man Solarparks und Batteriespeicher räumlich getrennt, so werden sie auch völlig unabhängig gemanagt. EnBW setzt aber vor allem auf „Colocation“ – also auf Batteriespeicher, die unmittelbar an die Solaranlage gekoppelt sind und am gleichen Netzverknüpfungspunkt hängen.
Das kann verschiedene Vorteile haben. Zum einen kann ein Batteriespeicher auf diese Weise eine höhere PV-Leistung ermöglichen, weil er technische Grenzen überwindet: „Wenn der Netzverknüpfungspunkt zum Beispiel nur fünf Megawatt verkraftet, kann man trotzdem sieben oder acht Megawatt an Modulen installieren, weil man den Strom in Spitzenzeiten zwischenspeichern kann“, sagt Schepers.
Eine andere Motivation für den Einsatz von PV-Speichern sind die schwankenden Preise am Strommarkt. Immer öfter werden die Börsenpreise bei viel Sonnenschein negativ, weshalb es zunehmend sinnvoll wird, den Strom erst in den Abendstunden dem Netz zur Verfügung zu stellen, wenn er wieder gebraucht wird und entsprechend höhere Preise erzielt.
Allerdings sei bei solchen Projekten mitunter ein ausgeklügeltes Messkonzept nötig, was auch an den Förderbedingungen in Deutschland liegt, erklärt Schepers. Denn es dürfen sich Grünstrom und Graustrom nicht vermischen – es muss bei jeder Kilowattstunde, die ans Netz abgegeben wird, deren Eigenschaft klar definiert sein.
Viele Fragen rund um Großspeicher hängen an der Regulatorik. Netzbetreiber, deren Arbeit – weil sie im monopolistisch geprägten Netz stattfindet – durch die Regulierungsbehörde kontrolliert wird, dürfen Speicher nur in engen Grenzen betreiben. Oft kaufen sie die Dienstleistung der Flexibilität von Speicherbetreibern ein, die ihrerseits unterschiedliche Märkte bedienen.
Somit wird des Speicherthema weiterhin sehr dynamisch bleiben – die Technik, wird sich weiterentwickeln, ebenso wie die Märkte für Flexibilität und vermutlich an manchen Stellen auch die Regulatorik. Dabei wird stets auch die Frage wichtig sein, für welche Kilowattstunden Netzentgelte erhoben werden und für welche nicht – ein politisch heiß diskutiertes Thema.
Der Artikel basiert auf der Session „Large, Grid-Scale Storage for More Supply- and Demand-Flexibility“ der EM-Power Europe Conference 2024. Sie wollen mehr dazu wissen? Dann schauen Sie sich die Aufzeichnung der einzelnen Vorträge auf unserer The smarter E Digital Plattform an.