Mit 1,5 Gigawatt (GW) Marktwachstum stellt Portugal einen kleinen, aber signifikanten Anteil an den 14 europäischen GW-Märkten dar.
Das liegt an dem vergleichsweise großen Anteil an erneuerbaren Energien am Strommix, sowie an der hohen Sonneneinstrahlung und den attraktiven Investitionsbedingungen, die Solarenergieprojekte wirtschaftlich interessant machen.
Wir sprachen mit Pedro Amaral Jorge, dem CEO des portugiesischen Verbands für erneuerbare Energien APREN, über die Chancen und Herausforderungen, denen sich Portugal im Bereich Photovoltaik (PV) und erneuerbare Energien gegenübersieht.
Portugal hat einen beträchtlichen Anteil an Erneuerbaren am Gesamtstromverbrauch. Fast die Hälfte davon ist Wasserkraft – zumindest war das in den letzten sechs Monaten so. Welches sind die größten Herausforderungen für den Ausbau der neuen regenerativen Energien Sonne und Wind?
Zwischen Oktober 2023 und Mitte Mai 2024 haben wir deutlich mehr Wasserkraft erzeugt als sonst. Durchschnittlich kam über 40 Prozent der in Portugal erzeugten Elektrizität aus Wasserkraftwerken. Die Gesamtkapazität der Wasserkraft liegt bei 8 GW. Dazu kommen 5,6 GW Windkraft und fast 4 GW Photovoltaik (PV). Die PV-Kapazität ist in 1 GW Eigenverbrauch und Kleinanlagen sowie 3 GW Großanlagen aufgeteilt.
Die größte Herausforderung sind die Genehmigungsverfahren. Die zweite Herausforderung ist die Netzverfügbarkeit. Die Netzkapazität ist knapp. Es gibt Projekte, die erst nach neun Jahren ans Netz gehen, und das erzeugt natürlich Stress bei den Stromversorgern.
Die dritte Herausforderung ist der Wettbewerb um Flächennutzung. Wir müssen erneuerbare Energien in unsere Umwelt integrieren und sicherstellen, dass Gemeinden irgendwann eine Entschädigung dafür erhalten – sonst wird die Bevölkerung PV ablehnen.
Außerdem brauchen wir Klarheit über den von der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament festgelegten regulatorischen Rahmen, der in den Mitgliedstaaten durch entsprechende Gesetze umgesetzt werden muss.
Dann gibt es noch eine neue Herausforderung, nämlich das Strommarktdesign. Momentan ist es noch möglich, dass die Strompreise auf Grundlage der tagesaktuellen Erdgaspreise festgelegt werden. Das ist für volatile erneuerbare Energiequellen wie Sonne und Wind jedoch nicht geeignet. Wir brauchen hier am besten eine marktbasierte Lösung mit standardisierten Stromabnahmeverträgen (PPAs).
Sowohl Käufer als auch Anbieter/ Verkäufer können mit standardisierten Stromabnahmeverträgen handeln. Außerdem brauchen wir staatliche Garantien für die Kreditwürdigkeit von Käufern als Grundlage für bilaterale PPAs.
Und wir müssen sicherstellen, dass unsere Regulierung verlässlich ist und Anreize für Investitionen aus dem Privatsektor schafft. Wir brauchen für jedes Projekt eine gewisse Finanzierbarkeit. Wir brauchen Hybridsystem, die Wind, Sonne und Speicher miteinander verbinden. Dazu benötigen wir zunächst ein neues Paradigma der Stromversorgung aus Erneuerbaren: Meiner Meinung nach müssen wir erneuerbare Kraftwerke bauen, die jährlich 4.000 bis 4.500 Stunden Nennleistung bringen. Das ist die Zukunft des Markts.
Auch wenn das Potenzial für Solarstrom in Portugal riesig ist, sind nur 20 Prozent der verfügbaren Dachflächen mit PV ausgestattet. Welches sind die Hürden für Dachanlagen in Portugal?
Bei Einfamilienhäusern ist die Sache einfach. Hausbesitzer haben meist genügend finanzielle Mittel und ein Interesse an Eigenverbrauchlösungen. Diese Haushalte können einfach mit Elektrofahrzeug, Speicher, PV-Anlage und einer Wärmepumpe, also dem Gesamtpaket zum Eigenverbrauch, ausgestattet werden und eine Finanzierung wie beispielsweise durch Kredite ist dafür leicht zu bekommen.
Bei Mehrfamilienhäusern mit vielen Wohneinheiten sieht die Sache anders aus. Das Dach kann nur 10 bis 15 Prozent des Energieverbrauchs abdecken – zumindest wenn man davon ausgeht, dass ausschließlich Energie in Form von Strom verbraucht wird. Wir müssen Energiegemeinschaften ohne regulatorische Hürden entwickeln, weder durch Verteilnetzbetreiber oder noch durch die Bundesnetzagentur. Dafür brauchen wir Lösungen.
Dann haben wir Dachflächen, auf denen die Sonneneinstrahlung nicht ausreicht, um eine wirtschaftliche Lösung zu realisieren. Der Bausektor hat in der Vergangenheit Energieeffizienz außer Acht gelassen. Außerdem sollte die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten dazu anhalten, die nötigen Finanzinstrumente bereitzustellen. Genauso wie man ein Auto mit Verbrennungsmotor einfach leasen kann, sollte man das auch mit Energielösungen für erneuerbare Energieversorgung tun können. Wir brauchen ein System, das die Nachfrage nach Elektrifizierung fördert.
Bei Mehrfamilienhäusern besteht die Schwierigkeit immer noch darin, dass sich alle Wohnungseigentümer einigen müssen.
In den meisten europäischen Ländern mit viel Wind- und Solarenergie ist das Netz der Engpass. Wo steht Portugal in Bezug auf die Digitalisierung und Modernisierung des Stromnetzes?
Sowohl Übertragungsnetzbetreiber als auch Verteilnetzsystembetreiber erteilen privaten Betreiber öffentliche Konzessionen. Das bedeutet, dass in Portugal jede Investition von einer Regulierungsbehörde genehmigt werden muss. Sowohl Übertragungsnetzbetreiber als auch Verteilnetzbetreiber müssen sich stärker um Lösungen für ein dynamisches Netzmanagement bemühen.
Gleichzeitig muss die Regulierungsbehörde die Kriterien lockern und mehr CapEx-Investitionen in die Netze zulassen, damit wir Flexibilität fördern und die Netze intelligenter steuern können. Bei uns sorgt KI dafür, dass Netzschwankungen überall ausgeglichen und Abregelungen und Engpässe minimiert werden.
Ein weiteres Problem der Branche für erneuerbare Energien in Europa ist die Preiskannibalisierung: niedrige oder gar negative Preise für Stromerzeuger aufgrund eines Überangebots. Wie beeinflusst dieses Problem Portugal?
Portugal bildet gemeinsam mit Spanien den iberischen Strommarkt. Wir haben zwar zwei getrennte Bieterzonen, aber es ist ein und derselbe Markt. In den letzten fünf Monaten hatten wir zu viel erneuerbaren Strom. Deshalb lag der Preis häufig bei Null. 23 bis 25 GW waren in Betrieb und haben Strom produziert und an die Verbraucher geliefert – ohne dafür bezahlt zu werden.
Das europäische Strommarktdesign muss dieses Problem lösen, denn es kann nicht sein, dass Erdgas jedes Mal den Preis bestimmt, wenn nicht genügend erneuerbare Energie zur Verfügung steht. Wir wissen, dass es genügend erneuerbare Energiequellen gibt. Also müssen wir die Nachfrage danach fördern.
Gleichzeitig müssen Investoren und Geldgeber darauf vertrauen können, dass sie selbst bei einem Preis von Null immer noch eine Mindestvergütung bekommen, um wirtschaftlich betreiben zu können. Ansonsten werden Eigenkapital- und Fremdkapitalinvestitionen ausbleiben.
Wie entwickelt sich der Markt für Batteriespeicher in Portugal?
Dieser Markt wächst derzeit noch langsam, weil es einfach nicht genügend Unterstützung für Behind-the-Meter-Anwendungen gibt. Wir brauchen Anreize für Batteriespeicher. Außerdem bestehen immer noch einige Probleme mit der Gesetzgebung für Stand-alone-Speicher.
Wir brauchen eine regulatorische Definition von Stand-alone-Speichern, insbesondere für Übertragungsnetzbetreiber, Verteilnetzbetreiber und die portugiesische Generaldirektion für Energie und Geologie (DGEG). Ein Stand-alone-Speicher braucht keinen Netzeinspeisepunkt wie ein Kraftwerk.
Es ist ganz einfach: Wenn der Preis bei Null liegt, wird niemand Strom von einem Speicher ins Netz einspeisen – und das verhindert Netzengpässe. Die Betreiber von Batteriegroßanlagen speichern den Strom und speisen ihn dann ins Netz ein, wenn der Preis hoch ist.
Wie wird sich der portugiesische Solarmarkt Ihrer Ansicht nach in Zukunft entwickeln?
Wir hoffen, dass wir in den nächsten zwei bis drei Jahren noch 3 bis 4 GW zubauen können. Viele Baugenehmigungen sind schon erteilt, und es wird auch schon viel am Netz gebaut, um Anschlüsse für diese Projekte zu schaffen. Immer mehr Unternehmen sehen sich nach Eigenverbrauchslösungen um.
Unser Ziel für 2030 sind Großanlagen mit einer Gesamtkapazität von 15 GW sowie insgesamt 5 GW im Bereich Eigenverbrauch, Energiegemeinschaften und Kleinanlagen. Selbst wenn wir pessimistisch sind und nur mit der Hälfte dieses Ziels rechnen, bedeutet das immer noch einen Zubau von 6 GW bis 2030.