Wie Google Maps für Projektentwickler: Bessere Standorte für Energieprojekte finden

Experteninterview – 19. November 2024

Das Start-up dvlp.energy möchte Projektplanern für erneuerbare Energien den Zugriff auf Informationen erleichtern, die bislang schwer zugänglich waren. Auf der gleichnamigen Software-as-a-Service-Plattform können Nutzer über ein webbasiertes Geoinformationssystem Daten zu allen relevanten Auswahlkriterien, vor allem zur Netzinfrastruktur und -auslastung, zum Beispiel für PV-Projekte abrufen und sich mit Flächeneigentümern und anderen Projektentwicklern vernetzen.

Für die Idee hat dvlp.energy in diesem Jahr auf The smarter E Europe einen Award in der Kategorie „Smart Integrated Energy“ gewonnen. Im Interview mit Oliver Schmidt, Mitbegründer von dvlp.energy, erfahren wir mehr über das Tool für PV-, Wind- und Batteriespeicherprojekte.

Interview mit Oliver Schmidt, Mitbegründer von dvlp.energy

Von der Forschung zur Unternehmensberatung und aktuell im Start-up: Wie sind Sie auf dvlp.energy gekommen?

Während meiner Forschungszeit am Imperial College London habe ich gemerkt, dass mir der direkte Bezug zur Industrie fehlte, sodass ich erst zur Unternehmensberatung Apricum wechselte. Doch ich wollte einen noch direkteren Beitrag leisten, um den Ausbau der Erneuerbaren voranzubringen. Mir war klar, dass ich die Arbeit von Projektentwicklern unterstützen wollte, da sie am Anfang eines jeden Energieprojekts stehen. Mit diesem Ziel haben wir dann dvlp.energy gegründet und entwickeln nun das gleichnamige webbasierte Geoinformationssystem (Web GIS), um die Entwicklung von PV-, Wind- und Batteriespeicher-Projekten effizienter zu machen.

Warum sollte sich ein Projektentwickler für das Tool dvlp.energy entscheiden?

Im Durchschnitt wird nur eine von zehn Flächen, in die ein Projektentwickler Arbeit investiert, am Ende auch eine PV-Freiflächenanlage. Wir wollen die Erfolgsquote erhöhen, indem Projektentwickler Flächen schneller und detaillierter bewerten können. Mit unserem Web GIS dvlp.energy haben Projektentwickler Zugriff auf mehr als 70 Datenebenen, ähnlich wie bei Google Maps. Nur dass sie bei uns Schutzgebiete, Bodenwerte, Stromtrassen, Netzkapazitäten, Gemeindedaten und mehr sehen. Damit kann unser Tool Flächen innerhalb von Sekunden auf Eignung prüfen. Darüber hinaus unterstützt es auf Anfrage bei der Identifizierung des Flächeneigentümers.

Das Tool ist auch in der fortgeschrittenen Projektphase hilfreich. Neben dem Verwalten der „Projektpipeline“ durch eine Übersicht aller eigenen Projekte, können beispielsweise 3D-Animationen der Projekte erstellt oder spezifische Rückfragen von Gemeinden schneller beantwortet werden.

Welchen Vorteil bringt das Tool für Planung und Bau von Batteriespeichern?

Batteriespeicher benötigen weniger Fläche als PV-Anlagen, was die Suche vereinfacht, aber es gibt trotzdem wichtige Faktoren zu beachten. Entwickler müssen beispielsweise prüfen, ob die Fläche in einem Schutz-, Überschwemmungs- oder Hochwasserrisikogebiet liegt. Statt dafür verschiedene Web GIS-Anwendungen der Bundesländer zu nutzen, können Batteriespeicherentwickler mit unserem Tool ihre Projekte deutschlandweit schneller und detaillierter validieren.

Unser Tool liefert entscheidende Netz-Informationen, die aktuell kein anderes Web-GIS bietet. Wir können beispielsweise Daten zur Lage des nächsten Umspannwerks, zum Netzbetreiber und zur Netzauslastung für Entwickler direkt zur Verfügung stellen. Das ermöglicht es Batterieentwicklern, potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und besser geeignete Flächen zu identifizieren.

Zukünftig will dvlp.energy auch Projektentwickler dabei unterstützen, den Anschluss ans Netz zu sichern. Wie genau sieht der Vorgang aus?

Das Netz ist entscheidend für die Energiewende, doch der Ausbau stockt. Häufig bekommen Projektentwickler negative Rückmeldungen oder werden auf die höhere Spannungsebene verwiesen, wenn sie ihre bevorzugten Netzanschlusspunkte anfragen. Die hohen Investitionskosten für Netzanschlussinfrastrukturen machen ein Projekt schnell unwirtschaftlich. Eine mögliche Lösung wäre, dass Anschlüsse gemeinsam genutzt werden und so die Investitionskosten für den Netzanschluss auf verschiedene Projekte aufgeteilt werden.

Deswegen arbeiten wir gerade an einem Konzept, das die Suche nach einem geeigneten Netzanschluss erleichtert. Mithilfe unseres Tools können Projektentwickler einsehen, ob auch andere Entwickler in der Nähe Interesse an einer gemeinsamen Nutzung des Netzanschlusses haben. Dieser Prozess erfolgt anonymisiert und nur dann, wenn gegenseitiges Interesse vorliegt.

Wie viel Fläche für PV brauchen wir noch in Deutschland? Und wird dann bei jeder großen PV-Anlage immer ein großer Batteriespeicher stehen?

Deutschland hat noch längst nicht genug PV-Anlagen. Das aktuelle Ziel ist, bis 2030 auf 215 Gigawatt zu kommen. Das wird aber nicht ausreichen, wenn wir Deutschland wieder zu einem wettbewerbsfähigen Standort mit günstigen Energiepreisen machen wollen. Der Strombedarf steigt weiter, etwa durch Elektroautos und Wärmepumpen, und Solar- sowie Windenergie sind mittlerweile die günstigsten Stromerzeuger.

Um die Volatilität dieser Erneuerbaren auszugleichen, brauchen wir Flexibilität durch Stromspeicher. Dabei müssen Batteriespeicher nicht immer direkt neben jeder PV-Anlage stehen. Bei einem gut ausgebauten Netz, dem Rückgrat der Energiewende, sind zentrale Speicher an strategischen Standorten die effizienteste Lösung.

Sie sind Co-Autor des Buches „Monetizing Energy Storage“. Warum ist es für die Projektplanung von Stromspeichern so schwierig, die voraussichtlichen Kosten und den Wert von Stromspeichertechnologien genau zu bewerten?

Neben der Herausforderung, den richtigen Standort für Energiespeicher zu finden, ist es auch herausfordernd, ein profitables Geschäftsmodell zu entwickeln. Das liegt daran, dass Speicher so vielseitig sind und meist nur durch die Kombination verschiedener Einkommensströme profitabel betrieben werden können. Dazu muss der Betrieb des Speichers optimiert werden, was entweder mit externen Optimierungsdienstleistern oder durch eigene, komplexe Berechnungen erfolgen kann. Und dafür muss man verstehen, welche Einkommensquellen und Netzdienstleistungen verfügbar sind, und wann Großhandels- und lokale Märkte den größten Gewinn abwerfen.

Brauchen wir überhaupt Langzeitenergiespeicher und in welchen Szenarien?

Kurz- und Mittelzeitspeicher, die Strom für bis zu acht Stunden speichern, sind meist ausreichend, um selbst erzeugten Strom zu nutzen oder Elektroautos zu laden. Sie reichen ebenfalls aus, um unsere Stromerzeugung in Deutschland auf bis zu 80 Prozent Erneuerbare auszuweiten. Für längere Phasen mit geringer Solar- und Windproduktion, wie beispielsweise die Dunkelflaute im Winter, werden Langzeitspeicher benötigt. Dies wird besonders relevant, wenn die Wärmeerzeugung in Zukunft zunehmend über Wärmepumpen elektrifiziert wird.

Derzeit übernehmen Gaskavernen diese Aufgabe. Bis 2040 werden wir jedoch emissionsarme Alternativen brauchen. Langzeitspeichertechnologien wie Druckluftspeicher oder Wasserstoff werden hierbei eine entscheidende Rolle spielen.

Wie müssten sich die Gesetze in Deutschland ändern, um das Potenzial von Energiespeichertechnologien besser auszuschöpfen?

Die Gesetze sollten die Digitalisierung und den Zugang zu wichtigen Planungsdaten, beispielsweise Flächennutzungsplänen, erleichtern und öffentlich zugänglich machen. In vielen anderen Ländern ist das bereits der Fall.

Zudem muss klarer geregelt werden, wie Speicher klassifiziert und von Netzbetreibern behandelt werden. In Deutschland wird für Speicherprojekte aktuell noch ein Baukostenzuschuss gezahlt – und das, obwohl sie das Stromnetz signifikant entlasten können.

Darüber hinaus sollten die Systemdienstleistungen, die unser Stromnetz stabilisieren, künftig konsequent marktlich beschafft werden. Das würde es ermöglichen, dass man die Flexibilitätseigenschaften von Speichern monetarisieren kann und damit den weiteren Ausbau ganz ohne finanzielle oder regulatorische Unterstützung fördert.

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