Die Zukunft des bidirektionalen Ladens – Einblick von Mercedes-Benz

Experteninterview – 26. März 2025

Senior Manager Charging Solutions Energy von Mercedes-Benz

Elektroautos sind mehr als nur Fortbewegungsmittel – sie können auch als Stromquelle dienen.

In diesem Interview mit electrive erklärt Frank Spennemann von Mercedes-Benz, wie bidirektionales Laden funktioniert, welche Vorteile es hat und welche Herausforderungen noch bestehen.

Das Interview wurde von Carla Westerheide, electrive, geführt.

Interview mit Dr. Frank Spennemann, Senior Manager Charging Solutions Energy von Mercedes-Benz

AC oder DC – Welche Technologie wird sich durchsetzen?

Dr. Frank Spennemann (Mercedes-Benz Mobility AG): Diese Frage wird sich wahrscheinlich in den nächsten 5 bis 10 Jahren klären. Momentan gibt es sowohl AC- als auch DC-basiertes bidirektionales Laden. Rund 80 % der Hersteller setzen aktuell auf DC, da es einige technische Vorteile bietet. Es ist einfacher sich mit dem Stromnetz zu verbinden. Wenn Energie ins Netz eingespeist wird, müssen bestimmte Netzvorgaben („Grid Codes“) eingehalten werden, die vom Netzbetreiber festgelegt sind.

Bei DC übernimmt die Wallbox die Netzkonformität. Bei AC muss diese zwischen Auto und Wallbox aufgeteilt werden, was komplexer ist. Einige Länder definieren noch, wie AC-basiertes bidirektionales Laden funktionieren soll. Mein Gefühl sagt mir, dass wir zunächst mehr DC-Lösungen sehen werden.

Wie plant Mercedes-Benz die Integration von bidirektionalem Laden in die Fahrzeugflotte?

Mercedes-Benz bietet bereits seit mehreren Jahren bidirektional-fähige Fahrzeuge in Japan an, da dort ein klarer Standard (CHAdeMO) existiert. Alle EQ-Modelle (EQE, EQS, EQB, EQA) in Japan unterstützen bidirektionales Laden.

Wir sind überzeugt, dass Interoperabilität entscheidend ist – bidirektionales Laden muss auf einem Standard basieren. Der relevante Standard ist ISO 15118-20, der vor etwa 1,5 Jahren veröffentlicht wurde. Alle Automobil- und Wallboxhersteller arbeiten an der Umsetzung, und wir tun dasselbe. Unsere nächste Generation von Elektrofahrzeugen wird bidirektionales Laden unterstützen.

Wie lange wird es dauern, bis wir bidirektionales Laden in größerem Umfang in europäischen Fahrzeugflotten sehen?

Wie bereits erwähnt, planen wir die Einführung mit der nächsten Generation unserer Fahrzeuge – und sobald diese auf den Markt kommen, werden sie bidirektionales Laden ermöglichen.

Welchen konkreten Mehrwert möchte Mercedes-Benz seinen Kunden durch das bidirektionale Laden bieten?

Als Automobilhersteller sehen wir enormes Potenzial im bidirektionalen Laden, daher setzen wir auf diese Technologie. Der Mehrwert ist dreifach:
1. Energieunabhängigkeit & Notstromversorgung:

  • In Märkten mit häufigen Stromausfällen (z. B. USA) kann das Auto als Notstromquelle dienen. Ein durchschnittlicher europäischer Haushalt verbraucht etwa 10 kWh pro Tag. Ein EQS mit einer 110-kWh-Batterie kann ein Standardhaushalt im Falle eines Stromausfalls über eine Woche lang versorgen.
  • Menschen mit Photovoltaikanlagen (PV) möchten bevorzugt ihre eigene Solarenergie nutzen. Ein bidirektionales Auto, idealerweise in Kombination mit einem kleinen Heimspeicher, kann diese Möglichkeit erweitern. Dadurch lässt sich nahezu die gesamte Solarenergie speichern und später ins Haus zurückführen – besonders vorteilhaft für den Betrieb einer Wärmepumpe oder Klimaanlage.

2. Finanzielle Vorteile durch V2G:

  • Elektrofahrzeuge können ins gesamte Energienetz integriert werden, das dringend Flexibilität benötigt – und diese wird finanziell honoriert.
  • Die Spitzenlast des deutschen Stromnetzes beträgt etwa 70–80 GW. Wenn 7 Millionen Fahrzeuge mit je 11 kW angeschlossen wären, entspräche das 15 % der gesamten Pkw-Flotte.
  • Kunden könnten zwischen 400 und 700 € pro Jahr verdienen, abhängig vom Fahrzeug, ihrem Nutzungsverhalten und weiteren Faktoren.

3. Unterstützung der Energiewende:

  • Forschungssimulationen zeigen, dass bidirektionale Fahrzeuge entscheidend für die Netzstabilität und den Übergang zu erneuerbaren Energien sind.

Welche Hindernisse gibt es für eine breite Einführung?

Das Wichtigste ist, dass es ein attraktives Produkt für den Kunden geben muss. Dazu gehört vor allem ein klarer finanzieller Vorteil.

Regulatorische Herausforderungen: In Deutschland gibt es eine sogenannte doppelte Besteuerung – wenn Energie im Auto gespeichert und später wieder ins Netz eingespeist wird, fällt zweimal eine Abgabe an. Dies macht das bidirektionale Laden finanziell unattraktiv und muss dringend überarbeitet werden.

Das Thema wird auch ein zentrales Highlight auf der kommenden Power2Drive Europe 2025 sein, mit der Sonderschau zum bidirektionalen Laden .

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