„Please hold the line“ – über das Festhängen in Warteschleifen kann jeder von uns ein Lied singen. Auf die Lebenszeit hochgerechnet summiert sich das Warten, bis die Leitung frei wird, laut einer US-amerikanischen Studie auf mehrere Wochen. Doch nicht nur Versicherungskunden, Internetnutzer oder Kontobesitzer hängen regelmäßig in der Warteschleife, „Please hold the line“ gilt auch immer häufiger für PV- und Windkraftanlagen. Mindestens 3.000 Gigawatt (GW) an erneuerbaren Energieprojekten, 1.500 GW davon in fortgeschrittenen Stadien, stehen weltweit in der Warteschlange für den Netzanschluss, berichtet die Internationale Energieagentur (IEA). Das entspricht der fünffachen Menge an PV- und Windkraftkapazität, die 2022 installiert wurde und zeige, dass die Stromnetze zunehmend zu einem Engpass für die Energiewende werden. Grund dafür ist, dass Netzausbau und Modernisierung längst nicht mehr mit dem rasanten Zubau erneuerbarer Energien einerseits und der Elektrifizierung im Wärme- und Verkehrssektor andererseits Schritt halten.
In den Niederlanden etwa sind die Netze in immer mehr Regionen schlichtweg voll. Das bedeutet, dass Unternehmen und selbst kleine Verbraucher, die ans Netz angeschlossen werden oder die Kapazität ihres Anschlusses erweitern möchte, länger warten müssen. Das bremse nicht nur den Wohnungsbau und das Wirtschaftswachstum, sondern gefährde die gesteckten Klimaziele, warnte im Oktober der Netzbetreiber Tennet.
Um die Stromnetze fit für die Energiewende zu machen und die nationalen Klimaziele einhalten zu können, müssen sich die weltweiten Netzinvestitionen bis 2030 auf über 600 Mrd. US$ pro Jahr verdoppeln, fordert die IEA. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Digitalisierung und Modernisierung, etwa durch intelligente Zähler, automatisiertes Netzmanagement, digitale Technologien für die Verbrauchsmessung und Verbesserung des Netzbetriebs. Die Stromsysteme müssen flexibler werden, um mit dem wachsenden Anteil volatiler erneuerbarer Energien zurecht zu kommen. Nach Einschätzung der IEA wird sich der Bedarf an Systemflexibilität zwischen 2022 und 2030 ebenfalls verdoppeln. Dafür ist es nötig, alle möglichen Flexibilitätsquellen zu erschließen.
In den Niederlanden wollen Regierung und Netzbetreiber nun unter anderem das netzdienliche Laden von E-Fahrzeugen sowie den Einsatz intelligenter, steuerbarer Geräte forcieren, um das vorhandene Stromnetz intelligenter zu nutzen. Außerdem sollen Fördergelder für sogenannte Energy Hubs fließen, in denen Unternehmen ihre Stromnachfrage und -versorgung vor Ort koordinieren und so das Netz entlasten.