Agri-PV – die Verbindung von Landwirtschaft und Solarstromerzeugung – erfährt aufgrund veränderter klimatischer Bedingungen durch die Klimakrise sowie durch die immer schwieriger werdende Situation der europäischen Landwirtschaft zunehmend an Bedeutung. Doch die Durchführung solcher Projekte ist komplex und erfordert ein enges Zusammenarbeiten vieler Beteiligter, vom Landwirt bis zur Bank.
Auf dem Agrivoltaics Industry Forum 2024 in Madrid sprachen wir mit Stephan Schindele, Head of Product Management Agri-PV bei BayWa r.e. über die Möglichkeiten, Planung und Durchführung von Agri-PV-Projekten aus Entwicklersicht.
Wichtig beim Projektgeschäft ist, dass alle Akteure immer auf Augenhöhe sind – denn jede Investition birgt ein gewisses Risiko. Dann ist die Frage: In welchem Teil der Wertschöpfung des Prozesses trägt welcher Akteur welches Risiko? Zu Beginn des Projekts tragen die Projektentwickler das Risiko und haben die Verantwortung. In einem Agri-PV-Projekt ist der erste Schritt in der Projektentwicklung die Festlegung und die Einigung auf ein Agrarkonzept. Im zweiten Schritt einigen sich der Projektentwickler, Landwirt und Landeigentümer auf einen Flächennutzungsvertrag - im Idealfall ist der Landwirt auch Landeigentümer.
Der nächste Baustein ist das Netzanschlussgesuch. Mit Hilfe von Planungstools belegt man die Fläche mit einem Agri-PV-System und sieht, wie viel Strom dort erzeugt werden kann. Dann muss man beim Netzbetreiber anfragen, ob wir diese Kapazität und Leistung ins Netz einspeisen dürfen. Im nächsten Schritt gehen wir auf die Behörden und öffentliche Institutionen etc. zu, um ein Bauantragsverfahren zu stellen. Damit haben wir Baugenehmigung, Netzanschluss und Flächen gesichert. Was jetzt noch fehlt ist eine entsprechende Vergütung des produzierten Stroms. Das kann ein PPA-Vertrag oder eine EEG-Vergütung sein, damit wir einen Business Case haben.
Wenn das alles stimmig ist, ist das Projekt werthaltig. Jetzt kann der Austausch mit den Banken beginnen. Ein Teil des Projektes wird fremdfinanziert. Da sind fremdfinanzierende Banken beteiligt, die vor allem am Anfang des Projekts das Risiko tragen, da gehören 60 bis 80% des Projekts noch den Banken und die anderen 20 bis 30% dem Equity Investor, ein Asset Manager, der das als Kapitalanlage sieht oder einem Energieversorgungsunternehmen. Auch wir als BayWa r.e. sind ein Independent Power Producer (IPP). Das heißt, wir entwickeln das Projekt und behalten es in unserem Portfolio. Über die Jahre wird die Fremdfinanzierung dann abbezahlt und der Landwirt erhält eine Flächenpacht, er wird als Dienstleister mit einbezogen.
In jedem Land gibt es unterschiedliche Anforderungen an die landwirtschaftliche Tätigkeit im Agri-PV Projekt. Deshalb haben wir in der BayWa r.e. den 7C-Agri-PV-Prozess entwickelt und eingeführt, der die Projektentwickler bei der Planung und Ausführung der Agri-PV-Projekte unterstützt. Dabei werden speziell die landwirtschaftlichen Anforderungen und Risiken im Projekt identifiziert, analysiert, priorisiert, abschließend Minderungsstrategien evaluiert und vertraglich festgehalten. Die Dokumentation des 7C-Prozesses ist für die Vertragsausgestaltung sehr wichtig, denn nur so kann eine Finanzierbarkeit des Projekts festgestellt und damit eine finanzielle Unterstützung von Banken oder Investoren gesichert werden.
Im ersten Schritt werden die in Betracht bezogenen Agrarflächen analysiert, die klimatischen Verhältnisse, Bodengüte geplante Fruchtfolge und u.a. der vorhandene Maschinenpark geprüft, um ein erstes Konzept einer Agri-PV-Anlage zu entwickeln. Im Anschluss evaluieren wir die Belange des Landwirts hinsichtlich einer anstehen Hofübergabe an die nächste Generation und/oder die Hofumstellung, bspw. auf biologische oder regenerative Landwirtschaft. Es wird erörtert, ob über das Projekt ggf. neue Maschinen angeschafft werden sollen, die sowohl dem Hof als auch dem Agri-PV-Vorhaben dienlich sind. Sobald diese Schritte abgeschlossen sind, wird eine Detailplanung des Agri-PV-Projekts umgesetzt. Hierbei werden Reihenabstände, Mindesthöhen, Fruchtfolge, Landmaschinen und Sicherheitskonzepte festgehalten. Basierend auf den technischen Detailplanungen erstellen wir dann Agrarertragsprognossen um zu evaluieren, ob der erforderliche Mindestagrarertrag nach der Inbetriebnahme eingehalten wird.
Je nach Standort der Agri-PV-Anlage und des Netzeinspeisepunkts könnte es außerdem von Vorteil sein, wenn ein Teil der Stromerzeugung auf der Hofstelle, an einen angrenzenden Industriebetrieb oder anderwärtig vor Ort verbraucht wird, bevor er ins Netz eingespeist wird. Auch das prüfen wir im Rahmen des 7C-Agri-PV-Prozesses. Danach wird dann noch final überprüft, ob alle regulatorischen Anforderungen für die Projektumsetzung erfüllt sind, bspw. erhält der Landwirt weiterhin seine Agrarsubventionen, Sicherheitsunterweisungen, Versicherungsnachweise, Steuerrecht, etc.
Abschließend werden alle Ergebnisse der genannten Schritte vertraglich festgehalten und dokumentiert.
Das erste Segment sind Anlagen unter oder bis zu 1 Megawatt (MW). Diese sind ungefähr auf zweieinhalb Hektar umsetzbar und dadurch im Baurecht privilegiert ermöglicht. Man darf als Landwirt einmalig direkt einen Bauantrag stellen. Das dauert in der Regel, wenn die Fläche nicht mit vielen Restriktionen belegt ist, zwischen drei und sechs Monaten. So weiß man relativ schnell, ob man eine Baugenehmigung bekommt für dieses 1-MW-Projekt, wenn die Fläche im räumlichen und funktionalen Zusammenhang der Hofstelle ist. Ein Netzanschlussverfahren dauert bis zu acht Wochen. Das heißt, so ein Projekt ist insgesamt schnell umsetzbar. Für ein 1-Megawatt-PV-Anlage, einschließlich Netzanschluss muss man ungefähr mit einer Million Eurorechnen. Das heißt der Landwirt muss dann 10% Eigenkapital, also 100.000 € mitbringen, damit er 90%, 900.000 €, fremdfinanziert. Er kann eine Projektgesellschaft gründen und das Projekt so relativ schnell umsetzen. Er ist selbst der Investor und auch Betreiber. Installateure vor Ort können ein Angebot für die schlüsselfertige Errichtung der Anlage machen. Das Projekt wird in diesem Marktsegment vom Landwirt getrieben. Er ist Bauherr, Investor und Betreiber der Anlage.
Bei der Netzanfrage wird immer geprüft, ob noch Kapazitäten im Netz da sind, um eine weitere PV-Anlage vor Ort zu realisieren. Oft ist das der Fall. Es gibt überall Netzengpässe und es ist schwierig, aber es ist bei relativ kleinen Anlagen dann doch oft noch möglich. Eventuell muss man noch in eine Trafoübergabestation investieren. Die Thematik ist eher: Manche Landwirte haben die Hofstelle innerorts, aber die Flächen, die sie bewirtschaften, außerorts. Hier wird der Einzelfall geprüft und man hat da Erfahrungen gemacht aus dem Biogasanlagenbereich, wo wir schon eine baurechtliche Privilegierung hatten. Daher kann man davon ausgehen, dass es rund 700 bis 800 Meter im Umfeld von dem Landwirt möglich ist, solche Projekte umzusetzen. Zudem sollte beachtet werden, dass gemäß EEG §24 innerhalb von 24 Monaten im Abstand von 2 km keine weiteren Freiflächenanlagen in Betrieb genommen worden sind. Teilweise behindern sich die 1 MWp Projekte also selbst, was natürlich dem eigentlichen Ziel den PV-Ausbau voranzutreiben nicht gerecht wird. Diese regulatorische Einschränkung sollte unbedingt korrigiert werden.
Bei dem zweiten Marktsegment, auf das wir Projektentwickler uns konzentrieren, geht es um Flächen von 10 bis 100 Hektar. Das Geschäftsmodell ist das Folgende: Wir bezahlen eine Flächenpacht, ermöglichen dem Landwirt über einen Dienstleistungsvertrag die Grünpflege auf der Fläche und er bekommt bei Interesse Beteiligungsformen an diesem Projekt. Wir können zusätzliche Installationen ermöglichen für die eigene Stromversorgung wie Ladestationen oder Batteriespeicher. Das Projekt kann Investitionen in neue Maschinen übernehmen, findet im gleichen Zuge eine Umstellung zu regenerativer Landwirtschaft statt.
Bei einer Agri-PV-Anlage in Deutschland ist es ein großer Vorteil, wenn das Projekt DIN SPEC-konform ist, damit Steuervorteile und Agrarsubventionen erhalten bleiben. Durch den Dienstleistungsvertrag steigert der Landwirt das resiliente finanzielle Einkommen und kann gleichzeitig noch in der Produktion auf dieser Fläche sein. Das ist auch wichtig für die Bodenregenerierung, dass sich jemand um den Boden kümmert. Die PV-Anlage ist gut für das Mikroklima, bietet Windschutz, erzeugt Verschattung und die Evapotranspiration nimmt ab.
Wenn der Landwirt seinen Hof auf regenerative Landwirtschaft umstellt, lassen sich dadurch sogenannte Scope-3-Emissionen verringern: Entlang der Wertschöpfung im Agrarbereich ist er der Produzent, beliefert folglich Agrarhändler oder direkt Supermärkte. Die Nahrungsmittelkonzerne wiederum müssen ESG (Environmental Social Governance, zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung)-Kriterien umsetzen, wollen klimaneutral werden und CO2 minimieren. Das heißt, die Konzerne und auch die Politik versuchen die Landwirte dazu zu bewegen, dass diese nachhaltiger produzieren.
In der Europäischen Union haben sich mehrere Mitgliedstaaten dazu entschlossen, Agri-PV über das Energierecht zu fördern, bspw. Frankreich, Deutschland, Italien, aber auch Kroatien, Tschechien, Österreich. Viele EU-Mitgliedstaaten haben ihr Agrar- und Steuerrecht allerdings noch nicht mit den Energieförderprogrammen abgestimmt, was für die Teilnahme der Landwirte im Agri-PV-Projekt hinderlich ist. Deutschland hat für 2,5 Ha Agri-PV-Projekte ein beschleunigtes Bauantragsverfahren, was sinnvoll ist. Für eine erfolgreiche Agri-PV-Diffusion müssen die Nationalen Strategiepläne für Energie und Agrar aufeinander abgestimmt und Gesetzesvorlagen über Ressortgrenzen hinweg koordiniert und beschlossen werden.
Bei einer regenerativen Landwirtschaft steht immer die Aufwertung des Bodens im Vordergrund. Ein guter Boden führt zu guten Agrarerträgen und leistet andere Co-Benefits. Bei Starkregenereignissen beispielsweise kann das Wasser besser infiltrieren, weil der Boden aufgewertet wird. Bei der regenerativen Landwirtschaft wird fast ausnahmslos nicht mehr gepflügt, dadurch bleibt die Fläche immer begrünt. Es gibt also keine Brownfields mehr, wo die Fläche komplett offenlegt. Es ist gut, wenn der Boden möglichst stabil bleiben darf: Für die Bionik, die Bodenmechanik und die Bodenchemie. Gleichzeitig darf man außer Herbizide keine Chemikalien mehr einsetzen.
Diese Extensivierung passt sehr gut zu Agri-PV, weil man weniger Durchfahrten hat. Das mindert auch das Risiko der Kollision. Die Kosten für die Betriebsumstellung hindert die Landwirte bisweilen daran. Denn sie brauchen einen neuen Maschinenpark, neue Kompetenz, neues Know-how. Gelingen kann dies mit dem sicheren Einkommen aus der PV. Die Verbindung Agrarwende und Energiewende steigert auch die Akzeptanz in der Bevölkerung, weil die Menschen betroffen sind durch das Landschaftsbild, es aber schätzen, wenn in ihrem Umfeld fast keine Chemikalien mehr eingesetzt werden.