Das Photovoltaik (PV)-Recycling hat sich in den letzten Jahren zu einem neuen Wirtschaftszweig innerhalb der PV-Industrie entwickelt. Dieser ist dringend notwendig: Allein in Deutschland werden bis 2030 durch Abbau von Altanlagen laut einer Studie der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) mindestens 400.000 Tonnen, maximal sogar bis zu 1 Million Tonnen Elektroschrott in Form von PV-Modulen erwartet.
Um die PV zu einer vollständig nachhaltigen Branche zu transformieren, muss die PV-Produktion in eine Kreislaufwirtschaft überführt werden. Vielversprechende Methoden drängen derzeit auf den Markt, erste Projekte beweisen, dass PV-Recycling wirtschaftlich ist. Jedoch mangelt es noch an einer Standardisierung von Prozessen für End-of-Life (EOL)-Management, um die Recyclingquote zu erhöhen.
2007 war der erste große Solarboom in Deutschland – rund 20 Jahre später muss sich die Branche mit der Frage beschäftigen: Was passiert mit den Altmodulen, die nach Lebensende aus Solarparks abgebaut werden? Typischerweise beträgt die Lebensdauer eines Solarmoduls 20 bis 30 Jahre. Das heißt, noch sind die Müllmengen gering – jedoch werden sie in den nächsten Jahren stark zunehmen. Bis 2050 wird eine weltweite Menge von 78 Millionen Tonnen an ausgedienten PV-Modulen anfallen. 2021 fielen laut EUROSTAT in Europa bereits 30 Tonnen Elektroschrott aus Altmodulen an.
Bei klassischen Silizium-Solarzellen können nach dem State of the Art Glas, Silizium, Silber, Kupfer, Plastik und Aluminium wiedergewonnen werden. Bei Dünnschichtmodulen werden Stoffe wie Indium, Gallium und Tellurium sowie Glas und Kupfer recycelt. Die Rückgewinnung der Rohstoffe und deren Rückführung in den Wertstoffkreislauf ist aus verschiedenen Gründen entscheidend: Silber schlägt mit 10 Prozent des Herstellungspreises eines PV-Moduls zu buche, bereits heute trägt die Solarindustrie etwa 30 Prozent zur industriellen Silbernachfrage bei. Wertvolle Rohstoffe wiederzugewinnen, verbessert die Wirtschaftlichkeit der Produktion und schont Ressourcen bei gleichzeitig hohem Ausbautempo der Solarenergie. Kreislaufwirtschaft in der PV ist wichtig, um die Solarenergie als nachhaltige Energieerzeugungstechnologie zu etablieren. Gleichzeitig ist Recycling notwendig, um eine unsachgemäße Entsorgung zu vermeiden: Denn der Müll enthält gefährliche Substanzen wie Cadmium, Arsen, Blei, Antimon und Fluorpolymere.
Oftmals scheint die naheliegendste Frage zu sein: Können die wiedergewonnenen Materialien erneut für die Produktion von PV-Modulen verwendet werden? Vor allem bei Glas, mit 70 bis 75 Prozent Hauptbestandteil eines gängigen PV-Moduls, wurde bisher in der Wiederverwertung noch nicht der nötige Reinheitsgrad erreicht, um es erneut als PV-Glas zu verwenden. Jedoch ist zumindest für Europa eine Wiederverwertung in anderen Industrien weitaus sinnvoller. Denn wirtschaftlich und ökologisch wäre es fehlleitend, recycelte Materialien dorthin zu transportieren, wo die PV-Produktion zum Großteil ansässig ist – nämlich nach China.
Seit 2012 unterliegen PV-Abfallprodukte der Neufassung der WEEE (eng. Waste from Electrical and Electronic Equipment)-Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte. Damit müssen ausgediente Solarmodule als Elektroschrott behandelt und recycelt werden. Dabei beträgt die von der EU geforderte Sammelquote für PV aktuell 85 Prozent, 80 Prozent müssen zurück in den Wertstoffkreislauf geführt werden. Weiterhin ist aufgrund der EU-Norm zur erweiterten Herstellerverantwortung der Hersteller dafür verantwortlich, dass die Quoten für Sammlung und Recycling eingehalten werden – allerdings erst für Module, die 2015 oder später auf den Markt gebracht wurden.
Beim PV-Recycling wird unterschieden zwischen mechanischen, thermischen und chemischen Verfahren – diese können auch kombiniert zur Anwendung kommen. Mechanische Verfahren sind nach wie vor der Standard – dabei wird zerkleinert, der Verbund aufgelöst und anschließend sortiert. Bei einem mechanischen in Kombination mit einem chemischen Verfahren kommt nach dem Schreddern eine chemische Lösung zum Einsatz, um möglichst viele Stoffe zu lösen und zu extrahieren. Innovative Lösungen im Bereich der thermischen Verfahren versuchen, die Anwendung von chemischen Lösungen im Rahmen der Nachhaltigkeit zu vermindern und die Rückgewinnungsquote durch weniger Schreddern zu erhöhen. Sie setzen auf Trennung durch Lichtimpulse, Laser, Hochdruckwasserstrahlung, Infraroterhitzung oder das sogenannte „heiße Messer“ zur Ablösung von Rückseitenfolien. Bei der Pyrolyse kommt eine Kombination aus mechanischen, chemischen und thermischen Verfahren zum Einsatz.
Die Reiling PV-Recycling entstammt dem etablierten deutschen Glasrecycler Reiling Group und wird nach eigenen Angaben im Jahr 2024 10.000 Tonnen Altmodule recyceln. Am neuen Standort in Münster, an dem ausschließlich PV-Recycling betrieben wird, können bis zu 50.000 Tonnen pro Jahr umgesetzt werden. Reiling PV-Recycling setzt auf ein traditionelles, mechanisches Verfahren, das einen maximalen Durchsatz erlaubt. Jüngst hat das Unternehmen trotz des mechanischen Verfahrens Fortschritte bei der Rückgewinnung von Silizium erreicht.
ROSI eröffnete 2023 eine Fabrik mit 3.000 Tonnen Durchsatz pro Jahr im französischen Grenoble. Ein Pionierprojekt im industriellen Maßstab, da mit dem Verfahren laut ROSI rund 99 Prozent aller Rohstoffe rückgewonnen werden, die Anlage gleichzeitig aber wirtschaftlich betrieben werden kann. Der jährliche Umsatz beträgt rund acht Millionen Euro. Bei der angewendeten Methode handelt es sich um Pyrolyse und eine Mischung aus mechanischen, thermischen und chemischen Verfahren. 2025 soll ein weiterer Standort in Deutschland im deutschen Elsnig mit einer anfänglichen Kapazität von 10.000 Tonnen pro Jahr eröffnet werden, auch die Eröffnung eines Standorts im spanischen Teruel ist in Vorbereitung.
Der US-amerikanische Solargigant First Solar unterhält unter anderen globalen Recyclingstandorten eine Anlage in Frankfurt/Oder, Deutschland. Dort werden lediglich Dünnschichtmodule recycelt – First Solar deckt damit erfolgreich eine Nische des Marktes ab. 2022 wurden in Frankfurt 10.000 Tonnen recycelt. Ein mechanisches Verfahren wird dort mit einer chemischen Behandlung kombiniert, laut Betreiber können so 90 Prozent aller Materialien wiedergewonnen werden.
FLAXRES aus dem deutschen Dresden gehört derzeit zu den innovativsten Start-ups im Bereich des PV-Recyclings. Das Verfahren setzt auf kurzzeitige Hochtemperaturerhitzung mittels Blitzlampen zur Delaminierung, das sogenannte „Flash Lamp Annealing“. Die Recyclingtechnik ist dabei mobil anwendbar in einem Überseecontainer verfügbar – damit kann sie direkt am Abbaustandort der Anlagen zum Einsatz kommen, Transportwege können vermindert werden. Das Unternehmen bietet ein monatliches Leasingkonzept für das Equipment an. Die Technologie ist auch für Dünnschichtmodule geeignet. Der Markteintritt mit den ersten fünf Recyclingeinheiten ist für 2024 geplant.
Die Rückgewinnung von 98 Prozent aller Materialien will auch das Magdeburger Start-up Solar Materials geschafft haben. In der Pilotanlage mit 3.000 Tonnen jährlicher Kapazität wird ein thermomechanisches Verfahren angewendet. Die Erhöhung des Durchsatzes auf 10.000 Tonnen bis Sommer 2025 durch eine eigene Anlage ist bereits in Planung.
Start-ups und PV-Unternehmen haben für PV-Recycling bedarfsgerechte und innovative Lösungen entwickelt. Jedoch war in der Vergangenheit ein wirtschaftlicher Betrieb von PV-Recyclinganlagen kaum möglich – dies war größtenteils den zu geringen Mengen geschuldet, die bisher anfielen. Die Schaffung von Kapazitäten für PV-Recycling unter gleichzeitiger Anwendung eines qualitativ hochwertigen Ansatzes, bei dem ein möglichst hoher Anteil der Materialien wiedergewonnen wird, bleibt weiterhin eine Herausforderung
Eine Studie der internationalen Energieagentur (IEA) zeigt, dass in Deutschland auch die Sortierung der Module und die Koordination an öffentlichen Sammelstellen noch verbessert werden kann – denn ein Großteil an Recyclingkosten entfalle auf vermeidbare Transportkosten, wo die Module erstmal von einer Sammelstelle zu geeigneten Erstaufbereitungsanlagen transportiert werden müssen. Ebenso besagt die Studie, dass derzeit beim Handling viele funktionsfähige Module Defekte erlangen, die deren Wiederverwertbarkeit beeinträchtigen. Durch geschultes Personal könne dem entgegengewirkt werden. Branchenvertreter sind sich einig, dass es zukünftig eines funktionierenden Systems zur digitalen Erfassung und Überwachung der PV-Abfallströme bedarf – auch um zu verhindern, dass die Module über Umwege in Drittländer transportiert und dort unkontrolliert gehandelt werden.
Eine Herausforderung an das Recycling selbst ist der Fokus der Hersteller auf möglichst lange Haltbarkeit der Module – zum Leidwesen der Recycelbarkeit. Dies könnte sich zukünftig mit der neuen Ecodesign-Richtlinie der EU verbessern, die zu verbesserter Rückführbarkeit von PV-Modulen führen soll.