Flexible Netzanschlussverträge: Ein Game-Changer?

Trendpapier – 11. März 2025

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Die Energiewende stockt vielerorts an einem zentralen Problem: fehlende Netzkapazitäten. Während erneuerbare Erzeugungsanlagen rasant ausgebaut werden, bleibt der Netzausbau oft zurück – mit der Folge, dass wertvolle Energie abgeregelt werden muss. Flexible Netzanschlussverträge könnten diesen Engpass entschärfen. Sie ermöglichen es, Netzverknüpfungspunkte effizienter zu nutzen und mehr Anlagen anzuschließen, ohne auf den langwierigen Netzausbau zu warten.

Welche regulatorischen Neuerungen den Weg für diese Praxis in Deutschland freimachen, welche Chancen und Herausforderungen damit verbunden sind und ob sich das Modell als echter Gamechanger erweisen kann, analysiert dieses Trendpapier.

Netzverknüpfungspunkte für Erzeugungsanlagen werden in vielen Ländern so ausgelegt, dass jede angeschlossene Anlage zu jedem Zeitpunkt 100 Prozent einspeisen darf. Für neugeplante Anlagen bedeutet das, dass der Netzbetreiber eine Netzverträglichkeitsprüfung durchführt, sobald er ein Netzanschlussbegehren erhält. Ziel der Prüfung ist es, festzustellen, ob das Netz physikalisch die eingespeiste Strommenge aufnehmen kann. Für die Prüfung ist die installierte Leistung von Anlagen maßgeblich: Das ist die elektrische Wirkleistung, die eine Anlage theoretisch technisch erzeugen kann. Da jedoch der Wind auch mal schwach weht, die Sonne auch mal nicht scheint und es diverse weitere Gründe gibt, warum Erneuerbare-Energien-Anlagen in den meisten Fällen nicht die volle Wirkleistung auch einspeisen, ist die Auslastung am Netzverknüpfungspunkt oft gering. Die restliche Netzanschlusskapazität wird nicht genutzt. Diese Anschlüsse ließen sich „überbauen“, was hieße, die Anlagen hinter dem Netzverknüpfungspunkt dürften dann über eine höhere Leistung verfügen, als der Netzverknüpfungspunkt abtransportieren kann.

Welche Neuerungen sehen EEG und EnWG vor?

Die EU hat den Stein ins Rollen gebracht: Seit der neuen Strombinnenmarktrichtlinie sind Mitgliedstaaten verpflichtet, in Gebieten einer geringen oder nicht vorhandenen Netzkapazität, die Möglichkeit für flexible Netzanschlussverträge zu schaffen. Das hat der Deutsche Bundestag nun mit seiner EEG/EnWG Reform Ende Januar 2025 umgesetzt und den Weg für die “Überbauung” in Deutschland freigemacht. Künftig wird es Projektentwicklern von Erneuerbare-Energien-Anlagen erlaubt, mit den zuständigen Netzbetreibern flexiblere Vereinbarungen über den Netzanschluss und die Nutzung zu treffen. Netzbetreiber dürfen somit die Einspeisung aus Erzeugungsanlagen oder auch den Verbrauch aus dem Netz auf einen bestimmten Wert für eine bestimmte Dauer begrenzen. Projektentwicklern bietet es die Chance, Anlagen unter Inkaufnahme einer geringeren Anschlusskapazität schon vor Beendigung des notwendigen Netzausbaus – und damit regelmäßig deutlich früher – sowie an einem günstigeren Verknüpfungspunkt ans Netz anzuschließen.

Was muss eine flexible Netzanschlussvereinbarung enthalten?

Damit eine solche flexible Netzanschlussvereinbarung zustande kommen kann, muss sie mindestens folgendes umfassen:

  • die Höhe und Dauer der begrenzten maximalen Wirkleistungseinspeisung
  • die durchgehende oder zeitweise Begrenzung der Einspeisung bzw. Entnahme (dynamische oder statische Begrenzung)
  • die Haftung des Anlagenbetreibers bei zu hoher Einspeisung/Entnahme.

„Wir gehen davon aus, dass mit flexiblen Netzanschlussverträgen die häufigen Streitereien um Netzverknüpfungspunkte weniger werden – eine sehr gute Entwicklung für Erneuerbare-Energien-Anlagen und Speicher”, sagt Robert Busch vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft zu dem neuen Vorgehen.

Flexible Netzanschlussverträge wurden in Deutschland sowohl im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) als auch im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) eingeführt. Die Regelungen im § 17 EnWG umfassen auch Verbraucher oder Flexibilitäten sowie große Stand-Alone- Batteriespeicher, während im § 8a EEG speziell die Fälle geregelt sind, in denen eine Erneuerbare-Energien-Anlage enthalten ist, also z.B. für Photovoltaikanlagen mit oder ohne Speicher, aber auch für Fälle, in denen Photovoltaik an Netzanschlüssen der Windkraft “überbaut” werden soll. Diese Vereinbarungen können den priorisierten Netzanschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen an das Netz umfassen, wodurch diese Anlagen vorrangig angeschlossen werden. Darüber hinaus sind Netzbetreiber verpflichtet, digitale Prozesse zur Stellung von Anschlussbegehren und zum Informationsaustausch bereitzustellen.

Willkür dennoch nicht ausgeschlossen

Die verbleibende Schwachstelle der neuen Regelung: Netzbetreiber können Anforderungen an die Netznutzung stellen, die eine betriebswirtschaftliche Optimierung stark einschränken könnten. Die Praxis wird zeigen, ob Netzbetreiber die Anforderungen insbesondere an die Netzanschlussnutzung nicht zu hoch setzen. Wenn sich Anschlusspetenten und Netzbetreiber konstruktiv zusammensetzen und die Verträge so verhandeln, dass das Netz gut ausgelastet, aber nicht überlastet wird, entsteht eine Win-Win-Situation.

Potenzial zum Gamechanger?

Ein wesentliches Ziel der Energiewende liegt in „Nutzen statt Abregeln“. Wenn Speicher und andere Flexibilitäten künftig schneller und einfacher an einen Netzverknüpfungspunkt gebaut werden können, dann haben flexible Netzanschlussverträge das Potenzial, ein echter Gamechanger in der Energiewirtschaft zu sein. Sie bieten eine Vielzahl von Vorteilen, die sowohl die Integration erneuerbarer Energien als auch die Netzstabilität und Kosteneffizienz verbessern können. Somit dürfte es in Deutschland künftig deutlich einfacher werden, für Solarparks oder für große PV-Dachanlagen sowie für Photovoltaikanlagen in Kombination mit großen Batteriespeichern in Deutschland Netzanschlüsse zu sichern.

Über die Trendpapiere

Unsere Trendpapiere bieten Ihnen Hintergründe und aktuelle Entwicklungen in ausgewählten Bereichen der neuen Energiewelt. Hier geht es zur Übersicht der Trendpapiere.

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