Start-ups sind wichtige Treiber für eine zukunftsfähige Energiewelt und entwickeln technologische und digitale Lösungen, die die Solarprodukte von morgen ermöglichen und auf eine 24/7 Energieversorgung mit erneuerbaren Energien einzahlen. Der Weg von der Produktidee bis zum erfolgreichen Geschäftsmodell ist jedoch lang. Ein grundsätzlicher Punkt für Start-ups ist es, Kapitalgeber zu finden.
Vireo Ventures ist ein Venture Capital Investor und begleitet Start-ups aus dem Bereich der erneuerbaren Energien auf diesem Weg. Von Geschäftsführer Felix Krause wollten wir wissen, wie zukunftsträchtige Start-ups ausgewählt werden und was diese für einen erfolgreichen Weg brauchen.
Startups alleine werden die Energiewelt nicht meistern. Dafür ist der Energiemarkt viel zu sehr reguliert und benötigt viel zu viel Kapital. Auf der anderen Seite sind die klassischen Konzerne häufig zu langsam, nicht agil genug und nicht ausreichend kosteneffizient. Wir können die Energiewende effizienter, schneller und auch kostengünstiger voranbringen, wenn Start-ups und etablierte Unternehmen zusammenarbeiten. Es geht darum, die Intelligenz der einzelnen Sektoren zu erhöhen.
Die Sektoren Mobilität, Energie, Heizen und Kühlen sind heute eigentlich geschlossene Silos. Wir werden die Energiewende nicht erfolgreich vollziehen können, wenn wir diese Silos nicht aufbrechen. Wir können Energie zubauen und Kabel von einem Ort zum anderen verlegen, aber eigentlich muss man die Sektoren intelligent miteinander verknüpfen und steuern. Wir glauben nicht, dass die etablierten Unternehmen dafür vollständig ausgestattet sind. Wir glauben, dass sie ein wichtiger Teil sind, aber gerade dieses verknüpfen, diese Intelligenz reinbringen - das leisten Start-ups.
Du sagst also, dass nur Startups das Potenzial haben, im Zeichen der Sektorkopplung die verschiedenen Bereiche zu verbinden und nicht die großen Energiekonzerne?
In der entsprechenden Geschwindigkeit. Startups sind besser aufgestellt, in diese neuen Märkte reinzugehen, weil sie deutlich agiler sind, weil sie deutlich kosteneffizienter sind und weil sie bereit sind, ihr Produkt deutlich schneller am Markt zu testen als ein Konzern mit entsprechenden Regeln und Prozessen. Ein Startup muss sofort mit dir als Kunden sprechen, auch ein unfertiges Produkt in den Markt bringen, um zu sehen, wie es aufgenommen wird. Ein Konzern wird eher im stillen Kämmerchen entwickeln. Im Zweifelfall eine perfekte Lösung, die dann aber am Markt vorbei entwickelt worden ist und oft sehr teuer ist.
Welche Chancen und Herausforderungen siehst du derzeit für Start-ups, speziell im Bereich erneuerbare Energie?
Die Chancen sind gigantisch, weil der Markt gigantisch ist. Wenn wir den Energiesektor, der für über 70 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich ist, bis 2050 CO2-neutral gestalten wollen, müssen wir über 130 Billionen US-Dollar investieren. Daher glauben wir bei Vireo Ventures, dass dies die mit Abstand größte Investitionschance unseres Jahrhunderts ist.
Auf der anderen Seite ist der generelle Markt der Start-up Finanzierung durch Venture Capital Fonds in 2023 stark eingebrochen, auch im Bereich der sogenannten ClimateTechs, die sich jedoch noch deutlich besser schlagen als andere Bereiche. Es besteht jedoch nach wie vor ein starkes strukturelles Ungleichgewicht zwischen Europa und den USA bei der Verfügbarkeit von Wachstumskapital. Aber wir sehen Licht am Ende des Tunnels.
Europa und Deutschland haben diese Finanzierungslücke erkannt und die Politik mobilisiert privates und öffentliches Kapital, zumindest für bestimmte Fokusbereiche wie ClimateTech. Auch die VC-Investitionen insgesamt scheinen sich für das Gesamtjahr 2023 etwas besser zu entwickeln als zunächst befürchtet. Zudem gehen viele Marktteilnehmer davon aus, dass wir die Zinswende geschafft haben, was den Markt im kommenden Jahr beleben sollte. Wir blicken daher zuversichtlich auf das Jahr 2024 und darüber hinaus.
Anhand welcher Kriterien wählt Vireo Ventures die geförderten Start-ups aus? Und was braucht ein Start-up im Energiebereich, um erfolgreich zu werden?
Wir investieren in Startups, die auf die „All electrified World“ einzahlen. Wir glauben, dass nach und nach alles direkt oder indirekt elektrifiziert werden wird. Gleichzeitig investieren wir in Start-ups, die Softwarelösungen anbieten. Für uns, die in einer sehr frühen Phase investieren, ist aber das wichtigste Kriterium das Team. Wir suchen Teams, die bereit sind für ihr Produkt, für ihre Firma durchs Feuer zu gehen. Denn die Gründungsphase, also die ersten Jahre sind herausfordernd. Und wir wollen Teams sehen, die so agil im Kopf sind, ihr Geschäftsmodell immer wieder zu hinterfragen. Die feststellen: „Dieser Ansatz funktioniert vielleicht nicht, um auf den Markt zu kommen. Aber wir haben festgestellt, das funktioniert.
Warum ändern wir das nicht?“. Die also so flexibel sind, bis sie den wirklichen Product Market Fit gefunden haben. Wir investieren in Firmen, die ein Proof of Concept haben, also ein erstes vorsichtiges Produkt, und begleiten die dann aktiv, bis sie diesen Proof of Business gefunden haben.
Stichwort digitale Lösungen: Liefert wirklich jede neue Software, die ein Start-up auf den Markt zu bringen versucht, neue und innovative Geschäftsmodelle?
Wir investieren nicht in Software, sondern in Lösungen und Geschäftsideen, die die Elektrifizierung und Dekarbonisierung der Welt ermöglichen. Software ist dabei nur ein Werkzeug, aber aus unserer Sicht ein unverzichtbares, um den Wandel effizient und effektiv zu ermöglichen. Dabei muss nicht jede neue Softwaretechnologie zwingend die innovativste sein. Das Timing ist ebenso wichtig.
Während der ersten großen Cleantech-Welle 2008 bis 2010 wurden viele Technologien entwickelt, der Markt war aber noch nicht bereit. Beispiel Lösungen für Ladeinfrastruktur. Damals hat sich der E-Automarkt schwergetan. Das heißt, sogar die allerbeste Lösung hatte damals keinen Erfolg, weil der Markt dafür einfach nicht da war.
Das andere ist: nicht die beste Lösung setzt im Zweifelsfall durch, sondern die beste Sales-Ausführung und „Execution“. Nur weil du ein gutes Produkt entwickelt hast, heißt das nicht, dass es jemand kauft, sondern du musst eine Geschichte darum erzählen. Es muss sowohl B2B als auch B2C einen Grund geben, warum du dieses Produkt kaufst, d.h. es muss ein echtes Problem lösen. Wenn du das Produkt nur ins Regal stellst, wird es niemand kaufen. Es muss nicht nur neu, innovativ und shiny sein, sondern es kann auch einfach sein, dass Unternehmen bestehende Lösungen anders aufsetzen, um die dann auf den Markt zu bringen, mit einem besseren Timing und einer besseren Geschichte.
Wie sieht es mit den Investitionsbedingungen in Deutschland und Europa für Start-ups im Energiebereich derzeit aus?
Grundsätzlich sind die Investitionsbedingungen fantastisch, denn kaum eine Region der Welt hat sich einerseits so der Dekarbonisierung verschrieben und ist andererseits auch aufgrund geopolitischer Verschiebungen so auf neue Energiequellen angewiesen - neue Lösungen und Geschäftsmodelle werden in Europa einfach gebraucht. Allerdings sind die Investitionsbedingungen für Start-ups nach wie vor nicht ideal, der Markt ist derzeit schwierig. Dies liegt an den beschriebenen makroökonomischen Faktoren, aber auch an den unterschiedlichen Regulierungen der europäischen Mitgliedsstaaten, die eine Marktintegration im Energiebereich erschweren.
Hinzu kommen teilweise etwas chaotische Markteingriffe, die zumindest kurzfristig für Unsicherheit sorgen - und unklare Rahmenbedingungen sind nie gut für Investitionen. Auf der anderen Seite sehen wir, dass aufgrund des Inflation Reduction Acts Unternehmen in die USA abwandern oder mehr Kapazitäten dort aufbauen, was für Europa schwierig ist.
Gibt es einen spezifischen Bereich, wo derzeit am meisten neue Geschäftsideen entstehen, also beispielsweise in den Sektoren Wärme, Verkehr oder Strom?
Es passiert viel im Mobilitätsbereich, weil das Thema Laden so präsent ist. Der Wärmemarkt, auch getrieben durch die Politik, entsteht aktuell auch. Wir haben viele Start-ups im Bereich Wärmenetze, aber auch Wärme in Gebäuden, diese Themen gab es noch vor 2-3 Jahren fast gar nicht.
Grundsätzlich sehen wir aber in allen unseren Fokusfeldern viel mehr und bessere Startups als noch vor etwa 5 Jahren.
Was uns positiv stimmt: wir sehen immer mehr Gründer, die in diesen Bereichen gründen, die vor Jahren noch ein Fintech oder B2C/ B2B SaaS Startup gegründet hätten, also überhaupt nicht darüber nachgedacht hätten, in den Energiemarkt zu gehen, die jetzt aber erkennen, dass sie einerseits Impact haben können, aber auch dass dieser Markt so groß ist, dass sich hier viel Geld verdienen lässt. Das stimmt uns sehr positiv für die gesamte Energie- und Mobilitätswende.
Dieses Interview führte Sarah Hommel de Mendonça.